An jenem Tag war ich in der Küche mit einem Malbuch beschäftigt. Das Radio stand auf dem Schrank. Es war eine große, braune Holzkiste. An der Vorderseite war ein gelbliches Netz, zwei Knöpfe, eine längliche Scheibe mit Linien und Zahlen, unter der sich ein rotes Streichholz bewegte. Es war ein...
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An jenem Tag war ich in der Küche mit einem Malbuch beschäftigt. Das Radio stand auf dem Schrank. Es war eine große, braune Holzkiste. An der Vorderseite war ein gelbliches Netz, zwei Knöpfe, eine längliche Scheibe mit Linien und Zahlen, unter der sich ein rotes Streichholz bewegte. Es war ein deutsches Gerät. Ich nahm an, dass in dieser Kiste kleine Zwerge von der Größe des Däumlings versteckt waren, die den ganzen Tag redeten und sangen. Wenn Mama in der Küche arbeitete, dann war das Radio an. Während ich mit dem Ausmalen beschäftigt war, kamen mir Worte und Musikfetzen ins Ohr. An jenem Morgen sprachen die Zwerge mit ernsten, weinerlichen Stimmen und spielten langsame, traurige Musik. Es war ein Mann gestorben, den man Stalin nannte. Mir kam der Name bekannt vor, ich hatte ihn schon im Haus oder zwischen den Holzstapeln gehört.
Ich malte mit der Nase fast ans Papier geklebt. Mama schimpfte nicht mehr mit mir wegen meiner Haltung, wie sie es sonst immer tat und mich dann ermahnte, dass ich noch blind werde und eine Brille bräuchte. Sie war diesmal zu sehr mit dem Kochen beschäftigt. Am Abend sollten Gäste kommen. Mir erschien es seltsam, dass man ausgerechnet mitten in der Woche eine Feier machte.
Wer war Stalin?, fragte ich Mama, ohne die Augen vom Blatt zu nehmen.
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